D'ailleurs, comment aurait-elle tenté de me comprendre puisqu'elle évitait de lire dans son propre cœur?
Simone de Beauvoir, Une mort très douce, p. 103Die Interaktion mit meinem Gegenüber, mit meiner Gruppe, mit meinem Umfeld wird tiefer, mit einer bleibenden Wirkung, je mehr ich nicht nur aus den allgemeinen, gesellschaftlichen, kulturellen, sondern auch aus meinen mir eigenen, persönlichen Ressourcen schöpfe oder gar an ihnen arbeite, sie weiterentwickle.
Wie werde ich nun aber meiner eigenen Ressourcen gewahr? Indem ich im Dialog mit meinem Gegenüber immer tiefer vordringe, die Oberfläche verlasse, das mir Unbekannte oder Unvertraute, welches das Gegenüber mir anbietet, voll und ganz annehme, in mein Herz aufnehme, Anknüpfungspunkte zu finden, seinen «Geschmack» zu erschmecken suche. Dadurch wird mein Gegenüber zu einem Spiegel, in welchem ich, in diesem Abstand zu ihm hin, den ich in Schwebe halte, meine eigenen Ressourcen erkenne. Hab ich sie erkannt, kann ich an ihnen arbeiten, sie verfeinern, ausbauen, ergänzen, das mir Fehlende beim Gegenüber holen, ihm Vertrauen schenken.
In einem solchen in der Schwebe Halten des Abstands mit meiner Lebenspartnerin habe ich erkannt, dass meine Ressourcen sich aus den Erfahrungen meiner Vorfahren des Lebens in den Bergen herleiten. Die karge Natur und die Unberechenbarkeit der Unwetter, Erdrutsche, Steinschläge und Lawinen hat dem Denken und Handeln, das ich an mir, aber auch an meinen Vorfahren beobachte, ein Sicherheitsbedürfnis eingeschrieben. Ausserdem eine grundsätzliche Skepsis gegenüber menschengemachten Neuerungen, da diese angesichts der mächtigen Berge bedeutungslos wirken. Auch eine Neigung zu Abgeschottetheit.
Bei meiner Partnerin hingegen, deren Vorfahren den koreanischen Krieg und den Wiederaufbau danach durchmachten, nehme ich eine selbstverständliche Bereitschaft wahr, alles loszulassen, hinter sich zu lassen, ein starkes Vertrauen in die Solidarität, eine Absenz des Zögerns.
Nun geht es mir nicht darum, das Eine gegen das Andere auszuspielen. Vielmehr möchte ich an dieser Erkenntnis wachsen. Ich möchte die Qualitäten beider Ressourcen zusammenbringen, sie sich befruchten lassen. Nicht nur im Zweiergespann mit meiner Partnerin, sondern auch in mir. Wachsen als Person. Damit ich in der Interaktion mit meinem Umfeld reichhaltigere, feiner ausdifferenzierte persönliche Ressourcen anbieten kann.
Symbolik hilft, etwas klar zu machen. Ein Zeichen an mich und an meine Mitwelt: «Seid euch, sei ich mir bewusst, ich arbeite an mir, ich habe ein neues Kapitel im Wachsen aufgeschlagen.» Dafür bieten sich mir die Symbole
Namen und
Masken/Kostüme an. Masken/Kostüme bieten sich an, um zu experimentieren, weil ich sie ziemlich kurzfristig aufsetzen und ablegen kann. Bei Masken/Kostümen geht es mir darum, mich in einen anderen Charakter hineinzuversetzen, diesen zu erkunden, zu erfahren, was es mit mir macht, wenn ich versuche, der andere Charakter zu sein. Anonymität darf nicht das Ziel sein, nie. Die Aufgabe der Maske ist allein, äusserlich sichtbar zu machen, dass ich jetzt gerade ein anderer Charakter bin. Die Verkörperung des Charakters durch die Maske, das ist mein Ziel bei der Wahl der Maske / des Kostüms. Es kann nur ein Hut, nur eine Schminke, nur ein Kleidungsstück sein. Dass sich durch das Aufsetzen und Ablegen etwas ändert, darüber muss ich mir immer im Klaren sein. Ich bekomme Lust, mich auf die Suche nach Masken/Kostümen und Charakteren zu machen.
Namen haben im Gegensatz zu Masken/Kostümen keine fest definierte Zeitlichkeit. Ihre Gültigkeit bleibt immer irgendwie bestehen, sogar wenn ein alter Name durch einen neuen abgelöst werden soll. Die Gesellschaft weiss ja, zu welcher Person der alte Name gehört. Als Person verfüge ich über Pseudonyme und Künstlernamen. Will ich persönlich und charakterlich wachsen, entscheide ich mich für einen solchen und mache ihn publik. Dabei mache ich mir klar, in welche Richtung ich wachsen will. Ich habe mich für 韓 山
San Han entschieden. Unter diesem Namen arbeite ich ab jetzt an meiner emotionalen Sensibilität. 韓
Han steht für die Vorfahren meiner Partnerin, für Korea. 山
San steht für die Berge, in denen meine Vorfahren und ich aufgewachsen bin.
San soll als Vorname,
Han als Nachname des Künstlernamens herhalten.
Mit der Annahme dieses Künstlernamens möchte ich herausfinden, wie ich meine Gesetztheit, Gelassenheit, Ruhe erweitern, hinter mir lassen, ausbauen kann mit einer Unbekümmertheit, einem Vertrauen in die Tragkraft der Wellen des Umfelds, einem Eingebunden-Sein. Insbesondere will ich das Loslassen-Können, das Vertrauen, vom Umfeld getragen zu werden, welches ich schon mit der tänzerischen / musikalischen Körperarbeit erkunde (Schüttel- und Shelfing-Übungen), auch in meinem Umgang mit Gefühlen erlangen, der bisher sehr verklemmt, verkrampft, verdrängt, unartikuliert war. Diese Auseinandersetzung möchte ich in meinen Rollen als Lebenspartner, als Musiker und Tänzer, als Trainer des
tr'ensemble-Trainings und mit ersten schriftstellerischen Gehversuchen vorantreiben. Die Idee ist, die Erfahrungen gedanklich zu reflektieren, sie in textliche Form zu bringen und den Output am Schluss als Buch zu veröffentlichen (dessen Arbeitstitel «Zusammen trommeln» ist). Um mein Umfeld in diesen Prozess einzubinden, mache ich meine Textfragmente in Rohfassungen gleich nach dem Schreiben schon unter
https://labonneheure.ch/channel/emanuel/?cat=Zusammen+trommeln publik.
Bar aller Abwehr-Schilder, verletzlich wie eine Raupe stürze ich mich in ein neues Selbst, um als 韓 山
San Han heranzureifen und aufzublühen.
CC BY-NC-ND 4.0 韓 山 San Han
Roh-Textfragment für «Zusammen trommeln»
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